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Kunst
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Der Kosmos aus Kreis und Quadrat – 20.12.2003
Das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm präsentiert derzeit eine umfangreiche Vasarely-Schau. In den gewölbten Räumen des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm wirken die 80 ausgestellten Werke Victor Vasarelys wie ein kompakt gefasstes Gesamtwerk. Der Meister des Konstruktivismus und der Op-Art betrachtete die Radierungen, Serigrafien, Bildteppiche und Objekte, welche einen Teil der Sammlung darstellen, die er 1976 seiner ungarischen Heimatstadt Pécs geschenkt hat, als Symbol für „das Schaffen alt vertrauter Kulturbeziehungen „zwischen West- und Mitteleuropa“. Früh schon, das heißt um 1950, hat Vasarely bereits Computerprogramme entwickelt, mit deren Hilfe er aus der zweidimensionalen Fläche dreidimensionale Formen erwachsen ließ. Vasarely hat sich nicht nur für die naturwissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit lebhaft interessiert, sondern sie unmittelbar in den künstlerischen Prozess einbezogen. Für eine breite Öffentlichkeit wollte er zudem arbeiten, die preiswerten Siebdrucke sind auch ein Credo einer „Kunst für alle“. Immer wieder faszinieren die Trompe-l’oeil-Effekte. Schwellende Blasen überzogen von einem geometrischen Netz, Tunnelschluchten durch imaginäre Räume, ein Sonnenwirbel oder ein Windrad, versteckt in ein paar Hundert Quadraten mit einem größeren oder Kreis darin in den Farben des ersten und zweiten Farbkreises – blau, gelb, rot, grün, violett, orange. Manche Grundform oder Komposition erschließt sich erst beim Zurücktreten. Es ist eine Kunst für große Räume, nicht nur wegen ihr oft explodierenden Farbigkeit, sondern wegen der ihr innewohnenden Dynamik. Am dichtesten und vitalsten wirkt diese Dynamik in den beiden „Zebra“-Bildteppichen, die wie alle anderen großen Wollteppiche in einer Manufaktur in Aubusson in den späten 50er Jahren gewebt wurden. Die Entwürfe stammen aus den Jahren 1938/39. Sie haben wie die anderen hier gezeigten Bildteppiche ein mittleres Format von circa zwei auf fast zwei Metern und sind deshalb mit den dreimal so großen Teppichen in der Fondation Vasarely in Aix-en-Provence nur in der Motivik zu vergleichen. Allem eignet nicht nur eine fast unglaublich scheinende Präzision in der Ausführung, sondern auch die haptische Qualität. Jede der Techniken Vasarelys umwirbt das Auge mit einer anderen verblüffenden Stofflichkeit. Die Serigrafie kann sowohl mit äußerster Trennschärfe komplementäre Farbigkeit kontrastieren wie sie zarteste Nuancen ineinander schmelzen lässt. Sie kann spröde wie Kalkstein wirken und weich wie Samt, sie kann mattgolden oder silbrig schimmern wie glänzendes Brokatgewebe. Die Taktilität begleitet selbst die abstraktesten Werke – auf Papier geklebte Aluminiumfolie oder Plexiglasobjekte mit Siebdruck. Und es gibt auch so etwas wie eine geometrisch-ornamentale Lyrik: der metallisch glänzende Siebdruck „Mar-Kab“ von 1973 lässt in den musikalischen Brechungen der Horizontallinien „Fisches Nachtgesang“ von Morgenstern assoziieren oder in der Papiercollage „Cassiopée“ ohne große Mühe einen kleinen eigenen violetten Sternkosmos erkennen.
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Portrait
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Preisträger ohne jede Allüren – 20.7.2002
Wahrhaftig kein linearer Lebenslauf! Es brauchte schon ein paar Umwege und Seitenpfade, bis Florian Schmidt am 15. Juni aus der Hand des Kulturstaatsministers in Berlin den Preis der Bundesarchitektenkammer entgegen nehmen konnte. Der 31jährige wirkt eher wie ein Student der Kunstakademie, vom Standeshabitus so mancher Architekten – schwarze Klamotten, Designerbrille und mimische Coolness – ist er gänzlich unberührt. Wie er da konzentriert auf einem Zettel skizziert, worum es ihm bei seiner Arbeit ging, die ihm an der Fachhochschule Potsdam das Diplom und den renommierten Preis einbrachte, wirkt er seht bewusst und in seiner Besonnenheit meilenweit entfernt von dem stromlinienförmigen Durchschnittsdreißiger, der erste berufliche Erfolge feiert und mit Persönlichkeit bezahlen muss. Florian Schmidt ist in Weingarten aufgewachsen, in Bodnegg zur Schule gegangen und hat in Ravensburg das Technische Abitur absolviert, als Zivi arbeitete er im Jugendhaus. Und dann hat er erst mal das Handwerk des Kunstschmieds gelernt und den Gesellen gemacht beim Kunstschmied Siebenrock und Johannes Eichler. Da merkte er schon, dass er gestalten will, weil er unzufrieden war mit der oft „banalen und oberflächlichen Lösung ästhetischer Fragen“. Und so kam er zur Architektur. Ein Grundstudium in Konstanz, das er sich zum Teil durch Mitarbeit auf Stundenbasis im Architekturbüro Marquart in Weingarten finanzierte, brachte ihn noch nicht viel weiter. „Aber das Architekturbüro hat mich sehr unterstützt und mir oft unschätzbaren Rat gegeben“, denkt er an diese Zeit zurück. Nach drei Semestern wechselte er nach Potsdam. Seine Begründung dafür formuliert er nachdrücklich und eindringlich: „Schreiben lernen ist das Eine, Poesie ist das andere – und mich interessiert die Poesie“. An Potsdams neuer Fachhochschule, die erst zehn Jahre alt ist, fand er nicht nur die Bauhaus-Tradition, wo Gestaltung und Ästhetik das Wesentliche sind und nicht das Technische, sondern auch Professoren, die ihm Vorbild wurden. Im Januar dieses Jahres machte er bei Professor Manfred Ortner seinen Abschluss, in dessen Architekturbüro er schon länger gearbeitet hatte. Schmidts preisgekrönter Entwurf zu einem ökumenischen Gemeindezentrum am Schlaatz in Potsdam ist nicht irgendeiner Kopfarbeit entsprungen. Er zeigt die konzentrierte Beobachtung, die Auslotung der Topographie und des vorhandenen Bestandes. Die Plattenbausiedlung aus den 80er Jahren für 9000 Menschen, ein Areal von 70 Hektar – eingegrenzt vom Fluss Nuthe und einer großen Bundesstraße und gegenüber der Filmstadt Babelsberg gelegen – verlangte nach umfassender Sanierung ein neues Zentrum. Schmidt verlegte das „Zentrum“ an den Rand, in eine gedachte Ecke. Beim Grundriss einer evangelischen und einer katholischen Kirche und einer Bibliothek dachte er wohl auch an Klosterarchitektur und an das Kloster seiner Kindheit, die Abtei Weingarten, wo er damals Ministrant war. Aus dem Quadrat von 50 Metern Seitenlänge und 10 Meter hohen Gebäuden, heben sich die drei rechtwinklig zueinander gestellten, 30 Meter hohen Würfelbauten deutlich heraus. „Eine idealtypische“ Form als klare Alternaive zum Plattenbau, in ihrer Außenhaut, durchgefärbter Beton in Ockergelb wie der märkische Sand, aber wieder ein Anpassen an die Plattenbauweise. „Unsere Gesellschaft sollte sich den Luxus leisten, Gebäude für bestimmte Zwecke zu errichten“, meint der junge Architekt zu diesem geistigen und sozialen Zentrum in einer Art moderner Wüste. Ist das ein religiöser Ansatz? Ruhig und nachdenklich antwortet er, er wolle „Werte vermitteln, Grundlinien, die nicht dauernd in Frage gestellt werden, sondern Bestand haben“. Seine Ziele weiter zu verfolgen, dazu wird ihm der Preis verhelfen, ein Postgraduiertenstipendium für das Ausland von 50 000 Mark, das er in spätestens eineinhalb Jahren antreten muss. Italien vielleicht – oder gar Japan? Er wird sicher den richtigen Weg finden – so wie er ihn auch bisher gefunden hat.
Triennale Weingarten Die Fotografin arbeitet mit Zeit – 27.10.2004
Im stillen Kapellenraum der Akademie in Weingarten hängt eine Wand aus Fotografien im Querrechteckformat – Ansichten vom Zürchersee der Schweizer Künstlerin Anna Halm Schudel. Nur Landschaft, nur von einem Standort aus, immer der gleiche Ausschnitt, nie zur gleichen Zeit: Dokumente von Zeit und Überzeitlichkeit. Ein Plakat von den ‚Seesichten’ hängt 50 mal in Weingarten aus. Anna Halm Schudel hat ein gelassenes Gesicht, unter den hellen Augen kräuseln sich kleine Falten zu einem inneren Lächeln. Vielleicht ist es das Schweizerische, das einen Tonfall der Nachdenklichkeit erzeugt. Entschleunigung gehört jedenfalls dazu, die Welt ist ja hastig genug. So kommen die Worte manchmal selbstvergessen, suchend nach dem treffenden Ausdruck, dabei wirkt alles trotz der fantasievollen Extravaganz ihrer äußeren Erscheinung ganz ohne Allüren. „Vielleicht ist das etwas sehr Konventionelles, was ich da gemacht habe“ gibt sie zweifelnd zu bedenken im Hinblick auf ihre ‚Seesichten’. Die Selbstzweifel sind unbegründet, ‚klassisch’ wäre ihre Arbeitsweise eher zu nennen. Anna Halm Schudel arbeitet mit der Zeit. Die gemessene Zeit ist der gelernten Fotografin – geboren 1945 in Bern und ausgebildet in Vevey – etwas quasi Natürliches. Für ihre Seesichten gab es einen Anfang – den Beginn der Südanflüge auf den Zürcher Flughafen im Herbst 2003 – und einen Endpunkt im September 2004. Zwischen diesen beiden lag ein knappes Jahr, ihre 60 Fotos sind chronologisch nebeneinander gesetzt. „Eigentlich wollte ich von meiner Wohnung aus, die Digitalkamera auf dem Stativ hinter dem etwas trüben Fenster, die Flugzeuge aufnehmen“. Aber dann sah sie keine Flugzeuge, sondern es waren die Fähren auf dem Zürchersee, die ihre ewig gleiche alltägliche Spur ins Wasser zeichneten, unbeeindruckt vom Wolkendrama, der finsteren Nacht, der Erscheinung der Alpenkette, der Illumination des Himmels. So wurde plötzlich das Thema der Aussicht zu einer Studie der Naturerscheinungen über eine bestimmte Zeit hinweg. Immer der gleiche Ausschnitt, das ist noch nichts Außergewöhnliches, nichts Spektakuläres. Es gibt aber so wunderbare Farbstimmungen in diesen Bildern, die mal hermetische Nebelenge, mal grandiose Aussichtsweite beschreiben, dass doch eher etwas wie Andacht vor der Naturschönheit aus ihnen spricht. Nicht von ungefähr hängt diese Arbeit in der Kapelle. Dass jedoch in den letzten drei Bildern ein gewaltiger Störfaktor sich Bahn bricht, ohne Vorwarnung in den letzten Wochen ein Krankenhauskomplex in die Höhe wächst und ein Riesenkran die letzten Bilder durchschneidet, geschieht mit der Beiläufigkeit des nicht wertenden, sondern lediglich beobachten Fotografen. Anna Halm Schudel macht aber auch anderes. Zum Beispiel nimmt sie Blumen auf. Das Thema, gesteht sie, gibt ihr seit Jahren ein wiederkehrender Traum ein: umgeben von dürstenden, schlappen Blumen sieht sie sich außerstande ihnen Wasser zu geben. Auch bei diesen digitalen Fotos collagiert sie nichts. Was sie interessiert, sind die Vielfalt, die Verfremdung, die optischen Metamorphosen. Oder in der umgekehrten Weise wie in den ‚Seesichten’ nimmt sie aus dem fahrenden Auto durch ein Fenster die vorbeiziehende Landschaft auf. Dieser Zyklus des ‚Never ending journey’ entspricht wie die ‚Seesichten’ ihrer gesamten Arbeitsweise. Langes geduldiges Beobachten, Beharrlichkeit der Präzision und thematische Kontinuität ermöglichen ein Bild des Überzeitlichen.
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